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Kaffee und ein paar Gedanken

Als wir vor geraumer Zeit im Zuge unseres geplanten Projekts begannen, uns professionell mit Kaffee zu beschäftigen, haben wir eine Vielzahl von Kaffeebohnen geröstet, gemahlen und verkostet. Natürlich haben wir dabei einige Chargen verschwendet, Kaffee aussortiert und zwischen gnadenloser Euphorie und tiefer Depression alles durchgemacht. Bei Arabica waren wir uns sicher, in welche Richtung das Ganze gehen sollte. Was uns jedoch von Anfang an noch mehr begeistert hat, waren die Canephora-Varietäten, die wir geröstet hatten. Obwohl die Auswahl an Canephora, insbesondere im Spezialitäten-Segment damals noch nicht so groß war oder wir zumindest keinen Zugriff darauf hatten, haben uns die Canephora-Bohnen, die wir hatten, ziemlich beeindruckt.

Klar war dann: Die müssen mit ins Programm! In letzter Zeit ist aufgrund des fortschreitenden Klimawandels und der dadurch erschwerten Anbaubedingungen für Arabica in einigen Regionen der Canephora mehr in den Fokus gerückt. Mittlerweile gibt es Canephora, der mit gleicher Sorgfalt angebaut wird wie Arabica, und man ihn manchmal auf den ersten Schluck gar nicht sofort unterscheiden kann. Wir möchten dazu beitragen, dieses wunderbare Gewächs, das lange ein Schattendasein gefristet hat, ins rechte Licht zu rücken. Für uns stehen beide Sorten nicht in Konkurrenz. Nein! Sie sind die perfekte Ergänzung. Morgens einen fruchtigen Arabica und nachmittags einen würzig-süßen Canephora… oder umgekehrt…

Fakt ist allerdings auch, Kaffee ist und bleibt einfach Geschmackssache. Wir glauben nicht, dass es den ‚besten‘ Kaffee gibt. Der ‚beste‘ Kaffee ist auch immer eine Momentaufnahme. Wo trinke ich meinen Kaffee, mit wem und in welcher Verfassung bin ich gerade… bin ich entspannt oder gestresst? Im Urlaub oder zu Hause? Aber wahrscheinlich noch wichtiger ist, wie ich im Hinblick auf Kaffee oder Lebensmittel sozialisiert bin und in welchem Kulturkreis ich eingebunden bin. Was z.B. im Globalen Norden gut gefunden wird, muss nicht zwangsläufig auch im Süden so sein. Wobei wir im Norden oftmals dazu neigen, Geschmacksrichtungen und Trends vorzugeben, die der Landwirt dann bitte so umsetzen sollte, weil er unter Umständen sonst weniger verkaufen wird.

Bei der Wahl seiner Kaffeebohnen sollte man vielleicht nicht unbedingt  auf angesagte Varietäten oder Anbauländer schauen, sondern vielmehr darauf, wie sie produziert und gehandelt werden. Oftmals finden sich wahre Schätze, wenn man etwas unvoreingenommener an die Sache herangeht – eine Herangehensweise, die man tendenziell bei allen Lebensmitteln anwenden sollte. 

Für uns ist Kaffee Kultur und soll Freude bereiten. Gleichzeitig berücksichtigen wir auch, welchen Einfluss wir auf Lieferketten, Produzenten, Umwelt usw. haben.

„Ein weiterer Punkt, der für uns weniger nachvollziehbar ist, betrifft das Verhalten im Hinblick auf Transparenz und Nachhaltigkeit. Einerseits wird viel über Nachhaltigkeit ( obwohl wir das Wort Nachhaltig tendenziell eh für obsolet halten, aber das ist ein anderes Thema ) gesprochen und Transparenz gefordert, aber andererseits gibt es innerhalb der Branche noch viele ungeklärte Fragen und intransparente Praktiken. Wir legen großen Wert darauf, dass unsere Kaffeebeschaffung fair und nachhaltig ist, und versuchen jederzeit transparent über unsere Prozesse zu informieren. Es ist bedauerlich zu beobachten, dass nicht alle Akteure in der Kaffeeindustrie (oder eben generell in der Lebensmittelbranche) diesem Grad an Transparenz und Nachhaltigkeit folgen. Da ist auch viel Augenwischerei dabei.

Insgesamt ist es wichtig, dass die Kaffeebranche sich weiterentwickelt und auch kritische Diskussionen über Themen wie Qualitätsansprüche, Zubereitungsmethoden, Philosophien und Transparenz führt. Letztendlich geht es darum, dass jeder Kaffeeliebhaber die Freiheit hat, seinen Kaffee so zu genießen, wie es ihm am besten gefällt, und dass die Akteure in der Kaffeeindustrie verantwortungsbewusst handeln, um eine nachhaltige Zukunft für die gesamte Branche zu fördern.“

Hier noch drei Punkte die uns wichtig sind, uns beschäftigen,  die wir kritisch sehen und bei denen wir uns selbst auch hinterfragen:

1. **Transparenz und Nachhaltigkeit**:

Wir erkennen die Bedeutung der Glaubwürdigkeit von Unternehmen in der Kaffeebranche hinsichtlich Transparenz und Nachhaltigkeit. Es ist kritisch zu hinterfragen, ob  Akteure wirklich den deklarierten Prinzipien treu bleiben, vor allem wenn sie darauf abzielen, ihre Produkte in z.B.großen Discounter-Ketten zu platzieren. Es ist uns auch wichtig anzumerken, dass nicht alle Bio-Siegel den tatsächlichen Standards entsprechen und einige Unternehmen oberflächlich mit Nachhaltigkeit und Bio-Qualität umgehen, um eigene Interessen zu bedienen.

2. **Wirtschaftliche Interessen vs. Verantwortungsbewusstes Handeln**:

Wir stellen fest, dass es wesentlich ist, nicht nur darauf zu achten, wie Unternehmen Geld verdienen, sondern auch, mit wem sie Geschäfte machen und welche Auswirkungen dies auf Produktqualität und Nachhaltigkeit hat. Unser Fokus sollte darauf liegen, nachhaltige und verantwortungsvolle Praktiken zu fördern, auch im Hinblick auf die Gewinnerzielung.

3. **Spezialisierung und Ausrüstung**:

Wir reflektieren über die Kommerzialisierung von Spezialitätenkaffee und den Verkauf von Kaffee-Equipment und neuen Tools. Wir stellen uns die Frage, ob die kontinuierliche Einführung neuer Produkte notwendig ist, um hochwertigen Kaffee zuzubereiten, oder ob bewährte Methoden wie die Verwendung z.B. einer V60 oder einer French Press ausreichend sind, um qualitativ guten Kaffee zu genießen. Der Spezialitäten-Kaffee-Markt ist inzwischen ein lukratives Geschäftsmodel für einige geworden. Es gibt teure Mühlen und Maschinen. Es wär sinnvoller und wichtiger dieses Geld in Projekte, ökologische Landwirtschaft und faire Preise für die Erzeuger zu investieren.

Es ist von großer Bedeutung, dass wir solche Diskussionen führen, um unsere Branche kritisch zu hinterfragen und positive Veränderungen zu fördern. Wir möchten uns weiterhin für Verbesserungen in Bezug auf Qualität, Nachhaltigkeit und den ethischen Umgang mit Kaffeebauern und Konsumenten einsetzen. Indem wir uns diesen Themen widmen und nachhaltige Lösungen suchen, gestalten wir gemeinsam die Zukunft der Kaffeeindustrie.

Frank Uebelherr