The Spiritual Death Of Coffee : von Mokhtar Alkhanshali
Ich werde nie vergessen, als ich zum ersten Mal eine Tasse Spezialitätenkaffee getrunken habe. Es war ein natürlich aufbereiteter Yirgacheffe aus Äthiopien, und er schmeckte nach Blaubeeren – leuchtend, süß und völlig unerwartet. Ich konnte kaum glauben, dass Kaffee auf natürliche Weise so schmecken kann, ganz ohne künstliche Aromen. Der Barista erzählte mir die Geschichte hinter dieser Tasse: die Farm, auf der der Kaffee angebaut wurde, die Beziehung zwischen der Rösterei und den Farmern und – was mich am meisten berührte – die sozialen Auswirkungen des direkten Kaffeehandels.
Dieser Moment war für mich transformativ und legte den Grundstein für eine Reise, die schließlich zu meiner beruflichen Laufbahn wurde.
Spezialitätenkaffee ist faszinierend, und ich habe mein Leben ihm gewidmet. Doch je mehr Zeit ich in dieser Branche verbringe, desto deutlicher wird für mich eine Leerstelle, die ich nicht mehr ignorieren kann.
Handwerkskunst und Qualität sind wichtig, aber Kaffee bedeutet so viel mehr. Seit Jahrhunderten ist er mehr als nur ein Getränk – er ist eine Brücke, ein Katalysator für Gespräche, Verbindungen und tiefgehende intellektuelle Reflexion. Cafés sollen Orte sein, an denen Menschen zusammenkommen, Ideen austauschen, Beziehungen aufbauen und… nun ja… die Welt verändern.
Angesichts der Bemühungen der Spezialitätenkaffee-Szene, sich gegen die Exzesse und die Kommerzialisierung der Kaffee-Megakonzerne zu stellen, ist es traurig, dass wir in vielerlei Hinsicht genau das Gegenteil erreicht haben. Wir haben das Brühen perfektioniert, den Einkauf verfeinert, die Qualität gesteigert und Gerechtigkeit sowie Fairness in der Lieferkette vorangetrieben – und doch haben wir in vielen Bereichen genau das getan, was wir eigentlich ablehnen: Wir haben die Kaffeekultur selbst zur Ware gemacht, genau wie die Großkonzerne, gegen die wir uns einst stellten.
Und bevor wir tiefer in das Thema eintauchen, möchte ich eines vorwegnehmen:
Die Idee des “Third Place” (Dritter Ort) ist sicherlich ein Teil meiner Überlegungen gewesen, als ich diesen Text geschrieben habe. Aber in Wahrheit ist das Konzept, so wie es Ray Oldenburg 1989 formulierte, heutzutage nur schwer anwendbar. Ich denke nicht, dass es fair oder notwendig ist, von Cafés zu erwarten, dass sie als dritte Orte fungieren. Vielmehr möchte ich erforschen, was Kaffeekultur historisch war, warum wir sie vielleicht verlassen haben und worauf wir wieder hinarbeiten könnten.
Kaffee und Verbindung
Die Kaffeekultur begann in Jemen, wo das Getränk erstmals von Sufi-Orden bei ihren Zusammenkünften gebraut wurde. Es waren keine Cafés im heutigen Sinne, sondern Räume mit einer klaren Absicht. Diese Zusammenkünfte, bekannt als majalis adh-dhikr – “Versammlungen des Gedenkens” – nutzten Kaffee, um spirituelle Hingabe zu unterstützen und Menschen zu verbinden. Kaffee war nicht nur ein Getränk, sondern ein Katalysator für Gemeinschaft. Er befeuerte nächtliche Diskussionen, Poesievorträge und religiöse Rituale und schuf einen Rhythmus, der Menschen mit etwas Größerem als sich selbst und mit anderen verband.
Diese Treffen fanden in Moscheen, in den Häusern von Gläubigen und Lehrern oder in Zawiyas (Sufi-Lodges) statt. Kaffee war dabei eine Konstante, und sowohl die Zubereitenden als auch das Getränk selbst wurden geehrt.
Diese Tradition besteht bis heute in vielen arabischen und muslimischen Ländern. Kaffee ist das erste, was einem angeboten wird, wenn man ein Haus oder sogar die Lobby eines Hotels betritt – ein Symbol der Gastfreundschaft. In manchen Sufi-Kreisen gibt es sogar ein Sprichwort, das besagt, dass ein Engel diejenigen begleitet, die nach Kaffee duften, und dass Satan verzweifelt aufgibt, wenn er am Morgen das Klirren der Kaffeetassen hört, da er dann keine Hoffnung mehr hat, die Trinkenden auf Abwege zu führen. Eine wunderschöne Art, über dieses Getränk nachzudenken, das wir alle so sehr schätzen.
Als sich die Kaffeekultur von Jemen aus in die muslimische Welt verbreitete, blühte sie in Städten wie Kairo, Damaskus und Istanbul auf und wurde zu einem florierenden Wirtschaftszweig. Jemenitische Studenten in Kairo, die an der Al-Azhar-Universität – einer der ältesten Universitäten der Welt – studierten, machten Kaffee als Gelehrtentrunk populär. Der Gelehrte Abdul Qadir al-Jaziri schrieb im 16. Jahrhundert berühmt: “Oh Kaffee, du vertreibst alle Sorgen; für den Suchenden nach Wissen bist du das größte Verlangen.” Kaffee wurde nicht nur als Getränk betrachtet, sondern als Begleiter intellektueller und spiritueller Bestrebungen.
Daraus entwickelten sich schließlich die ersten Kaffeehäuser. Im Osmanischen Reich wurden sie zu pulsierenden urbanen Zentren, in denen Musik, Geschichtenerzählen, Spiele und Diskussionen stattfanden. Diese Räume standen Menschen aller Gesellschaftsschichten offen, die sich dort auf Augenhöhe begegnen konnten.
Ihre Bedeutung war so groß, dass die Obrigkeit sie oft mit Argwohn betrachtete, aus Angst, sie könnten Unruhen schüren – was sie tatsächlich häufig taten.
Als die Kaffeehäuser nach Europa gelangten, wurden sie zu zentralen Knotenpunkten für intellektuelle und soziale Revolutionen. Im England des 17. und 18. Jahrhunderts wurden sie als “Penny Universities” bezeichnet, weil man für den Preis einer Tasse Kaffee an lebhaften Diskussionen über Wissenschaft, Politik und Kunst teilnehmen konnte. Bestimmte Kaffeehäuser sprachen dabei gezielt bestimmte Gruppen an:
•Lloyd’s Coffee House, in dem später Lloyd’s Bank gegründet wurde, diente Händlern und Versicherern.
•Das Grecian zog Wissenschaftler an.
•Will’s Coffee House wurde zur Heimat von Dichtern und Schriftstellern.
In Paris bot das Café de Procope revolutionären Denkern während der Französischen Revolution einen Zufluchtsort. In Boston wurde das Green Dragon Coffee House zum Treffpunkt für amerikanische Revolutionäre – hier wurden die Pläne für die Boston Tea Party geschmiedet.
Diese Tradition setzte sich bis ins 20. Jahrhundert fort. Kaffeehäuser wurden zu Sammelplätzen für moderne Subkulturen:
•In Wien und Paris inspirierten sie Intellektuelle, Künstler und Schriftsteller.
•In Greenwich Village in New York wurden Beatnik-Cafés wie das Café Reggio zur Heimat für Gegenkulturbewegungen – hier wurde sogar Al Pacino entdeckt.
•In San Francisco wurde das Café Trieste zu einem Hotspot kreativer Inspiration – Francis Ford Coppola schrieb hier Teile von Der Pate.
Zu jeder Zeit spiegelten Kaffeehäuser die Gemeinschaften wider, die sie besuchten – sie gehörten den Menschen genauso, wie die Menschen zu ihnen gehörten.
Doch gegen Ende des 20. Jahrhunderts änderte sich etwas.
Wie die Kommerzialisierung das Café als Gemeinschaftsort zerstörte
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts ging die Idee des Cafés als Raum für Verbindung nicht verloren – sie wurde neu erfunden, verpackt und verkauft. Moderne Café-Ketten erkannten das Potenzial, die Faszination der Kaffeehauskultur zu kapitalisieren: ein Ort, an dem Menschen zusammenkommen, verweilen und sich als Teil von etwas fühlen. Es war eine clevere Geschäftsidee.
Wie oft im Monat gehst du in dein Lieblingsrestaurant? Einmal, vielleicht zweimal? Vergleiche das mit einem Café – Menschen besuchen es im Schnitt 15 bis 20 Mal im Monat. Wenn man dieses Modell skalieren kann, ist es big, big, big money.
Doch dieser Ansatz hatte seinen Preis. Was einst organisch und authentisch war – Räume, die aus Gemeinschaft, Kultur und Ideen entstanden – wurde in eine standardisierte, reproduzierbare Formel gepresst. Das Café wurde zu einer Marke. Ein Lifestyle. Die Holztische, die kuratierte Musik, die mit handgezeichneten Schriften gestalteten Menütafeln – alles sorgfältig inszeniert, um ein Gefühl von Intimität und Verbindung zu erzeugen. Doch diese Verbindung bestand nicht zwischen den Menschen – sie bestand mit der Marke.
Cafés wurden Orte, an denen man sich als Teil von etwas fühlen konnte, aber nur als Konsument. Kaffee zu kaufen bedeutete nicht mehr nur, ein Getränk zu konsumieren – es ging darum, sich in ein bestimmtes Selbstbild einzukaufen. Der Café-Besucher als Typ: der kreative Kopf, der an seinem nächsten großen Projekt arbeitet, oder die Gruppe von Freunden, die sich bei einem Latte Macchiato trifft.
Diese Kommerzialisierung von Verbindung war ein brillanter Schachzug für das Geschäft – doch sie veränderte die Essenz dessen, was Cafés einst waren. Und das wäre vielleicht gar nicht so schlimm gewesen, wenn diese Cafés der Gemeinschaft, in der sie sich befinden, auch als soziale Räume zur Verfügung stünden. Doch das tun sie nicht. Ganz im Gegenteil: Diese Ketten sind streng durchkontrollierte Unternehmen.
Das Problem mit der Kettenlogik
Die tief verwurzelte Gemeinschaftsbindung von Cafés verschwand völlig. Anstatt die Kaffeekultur auszubauen, haben sie sie nivelliert. Historisch gesehen waren Cafés entweder ein Spiegelbild der Orte, in denen sie existierten, oder sie wurden von den Subkulturen geprägt, die sie anzogen. Sie wurden geformt von Menschen – mit all ihren Geschichten, Ideen, Klängen, Bildern und Bewegungen.
Das moderne Café gehört jedoch nicht mehr der Gemeinschaft, der es angeblich dient. Es gehört in erster Linie einer großen Firma – und in zweiter Linie vielleicht einem Franchisenehmer, der aber kaum Entscheidungsfreiheit darüber hat, wie das Café als kultureller oder sozialer Raum funktioniert.
Das Ergebnis: Homogenisierung und kulturelle Bedeutungslosigkeit.
•Norah Jones als Hintergrundmusik mag in Greenwich Village funktionieren – aber warum läuft die gleiche Playlist in der Bronx?
•Cafés spiegeln nicht mehr die Gemeinschaft wider, in der sie sich befinden – sie überschreiben sie.
•Sie leben nicht in den Orten, sondern sie besetzen sie. Sie kolonisieren sie. Sie gentrifizieren sie.
Und genau dadurch zerstören sie Kultur. Jede Gemeinschaft auf der Welt hat etwas Einzigartiges zu sagen, etwas Besonderes anzubieten. Historisch gesehen waren Kaffeehäuser die Plattform, um diese Stimmen hörbar zu machen. Kaffee selbst spielte dabei eine Rolle, indem er den Geist anregte und Diskussionen schärfte.
Doch diese modernen Ketten-Cafés tun nicht nur nichts für die Gemeinschaft – sie löschen aktiv die Dinge aus, die Gemeinschaften überhaupt erst ausmachen.
Der Verrat am Versprechen des Raumes
Und heute versagen diese Cafés nicht nur darin, eine Verbindung zu schaffen – sie erfüllen nicht einmal mehr ihr einziges ehrliches Versprechen: Raum zu bieten.
Immer häufiger begegnen wir praktischen Maßnahmen, um Gäste vom Verweilen abzuhalten:
•Unbequeme Sitzmöbel
•Versteckte oder abgedeckte Steckdosen
•Ein Fokus auf Drive-Throughs statt auf einen Ort zum Bleiben
Diese Unternehmen haben längst erkannt, dass es profitabler ist, Menschen schnell durchzuschleusen, als tatsächlich den sozialen Raum zu bieten, den sie angeblich schaffen wollten.
Erst letzten Monat sagte der neu ernannte Starbucks-CEO Brian Nicol, dass er anstrebt, dass eine Tasse Kaffee in weniger als 30 Sekunden gebrüht wird. Wenigstens sind sie mittlerweile ehrlich darüber, was von Anfang an ihre wahren Absichten waren.
The Spiritual Death Of Coffee – SpezialitätenKaffees größter verpasster Moment
Spezialitätenkaffee begann als eine Rebellion – gegen die Mittelmäßigkeit von Massenkaffee, gegen die Ausbeutung in der Lieferkette und gegen den Verlust der Geschichten und des Handwerks hinter jeder Tasse.Er versprach etwas Besseres:
•Kaffee mit Integrität
•Kaffee mit Transparenz
•Kaffee mit unübertroffener Qualität
Er brachte uns Aromen, die von ihrer Herkunft erzählten, Beziehungen zwischen Farmern und Röstern, Tassen, die ein Zeugnis des Bodens und der Hände waren, die sie kultiviert hatten.
Mit dieser unglaublichen Vision hatte Spezialitätenkaffee eine einmalige Gelegenheit:
Nicht nur Einkauf, Röstung oder Zubereitung neu zu denken – sondern auch, was ein Café sein könnte und sollte.
Doch diese Chance wurde fast vollständig vergeudet.
Was jetzt?
Die Lösung ist einfach: Werdet Teil der Gemeinschaften, in denen ihr arbeitet.
Öffnet eure Türen – nicht nur für Kaffee-Nerds, Latte-Art-Kurse oder Cuppings, sondern für die Menschen, die tatsächlich in diesen Vierteln leben.
•Arbeitet mit lokalen Unternehmen, Künstlern, Schulen und sozialen Initiativen zusammen.
•Macht euer Café zu einem Ort, an dem sich Menschen treffen, austauschen und verbinden können.
Wenn sich euer Café in einem von Gentrifizierung bedrohten Viertel befindet: Handelt proaktiv.
•Schafft Raum für junge Menschen in der Community – nicht nur, um ihnen beizubringen, wie sie Kaffee bewerten oder Q-Kurse machen können (obwohl das auch möglich wäre), sondern um ihnen eine Plattform für ihre eigenen Leidenschaften zu geben.
•Seid ein sicherer Hafen.
•Seid das, was Kaffeehäuser über Jahrhunderte hinweg waren: Zentren für Kultur, Kreativität und Gemeinschaft.
Bevor ihr expandiert und den nächsten Standort eröffnet:
Investiert erst in den, den ihr bereits habt.
•Wenn euer Café sich im Erdgeschoss eines Gebäudes befindet – wie es oft der Fall ist – denkt darüber nach, den Raum über euch zu mieten und ihn in ein Community-Zentrum zu verwandeln.
•Veranstaltet Events, die wirklich die Interessen eurer Nachbarschaft widerspiegeln – Poetry Slams, Buchclubs, Kunstausstellungen.
•
Aber es muss nicht bei diesen Dingen bleiben.
Die Gründer von Spezialitätenkaffeehäusern sind oft faszinierende, kreative Menschen. Baut die Gemeinschaft um das auf, was euch wirklich begeistert.
•Surfen?
•Musik?
•Tattoo-Kunst?
•Magic: The Gathering?
Egal was – wenn es euch bewegt, wenn es eurem Raum, eurer Gemeinschaft oder euren Gästen entspricht, dann macht es.
Kaffee ist mehr als Treibstoff für Kreativität – er ist ihre Seele
Das wahre Geheimnis dieser kleinen Bohnen liegt in den Werten, die sie stärken:
•Erkenntnis
•Zusammenarbeit
•Tiefe
•Reflexion
•Geteilte Erfahrungen