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Das beste Wasser ?

Das beste Wasser? Ein Spiegel unserer Absurdität

„Das beste Wasser“ – wie oft haben wir diesen Satz schon gehört, wenn es um Kaffee geht? In Foren, Barista-Gruppen, YouTube-Videos oder Fachartikeln. Das beste Wasser für Kaffee soll die Aromen heben, Klarheit bringen, Bitterkeit minimieren und die perfekte Extraktion garantieren. Es gibt Tabellen, Kalkulatoren, Tools und Drops. Und ja – Wasser spielt eine Rolle. Eine große sogar. Aber wenn man sich die Kaffeeszene anschaut, fragt man sich irgendwann: Haben wir eigentlich den Bezug zur Realität verloren?

Denn während wir in Europa über das beste Wasser diskutieren, haben Millionen von Menschen auf diesem Planeten überhaupt keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. In vielen Kaffeeregionen kämpfen Produzent:innen mit Dürre, verschmutztem Grundwasser und fehlender Infrastruktur. Und wir? Wir zerbrechen uns den Kopf über Calcium-Magnesium-Verhältnisse. Willkommen im absurden Theater der Third-Wave-Perfektion.

Das beste Wasser: Eine technokratische Obsession

Die Jagd nach dem besten Wasser ist zu einer Art Religion geworden. In der Specialty-Szene gibt es kaum etwas, das so viele Emotionen auslöst wie die Frage nach der idealen Wasserzusammensetzung. 70 ppm oder 90 ppm? Bicarbonate ja oder nein? Osmosefilter, Remineralisierung, Third Wave Water oder doch lieber Volvic?

Es gibt Baristas, die ihre eigene Wasserlinie entwickeln. Röster:innen, die ihre Brührezepte nur unter Laborbedingungen freigeben. Und dann gibt es die Community, die all das aufsaugt und sich gegenseitig übertrumpft mit „optimalen“ Werten. Das beste Wasser, sagen sie, sei der Schlüssel zum perfekten Kaffee.

Aber: Wer entscheidet eigentlich, was das beste Wasser ist . Und für wen? Für deinen Pour Over auf 1.200 Metern in Zürich? Oder für die Produzentin in Honduras, die mit Tankwasser ihren Kaffee wäscht?

Der Zusammenhang fehlt

Was in vielen Diskussionen fehlt, ist der Kontext. Das beste Wasser ist zu einem isolierten Ziel geworden – losgelöst vom Ursprung, losgelöst von Verantwortung. Dabei ist Wasser nicht nur ein Brühparameter. Es ist ein Menschenrecht. Und ein verdammt knappes Gut.

Der Klimawandel verschärft die Wasserkrisen weltweit. Besonders in Kaffeeanbaugebieten. Weniger Regen, unberechenbare Jahreszeiten, trockene Böden. Viele Produzent:innen müssen heute bereits entscheiden, ob sie Wasser zum Waschen der Kaffeekirschen verwenden – oder für ihre Familie. Das beste Wasser das ist dort oft schlicht: irgendeins, das nicht krank macht.

Technische Präzision vs. soziale Ignoranz

Wir als Röstereien, Baristas und Kaffeenerds im globalen Norden sollten uns fragen: Ist unsere Jagd nach dem besten Wasser nicht manchmal einfach nur ein Spiegel unserer Privilegien? Wir filtern, testen, messen – und posten unsere Ergebnisse mit Stolz. Aber wie oft sprechen wir über Wassergerechtigkeit? Wie oft hinterfragen wir die Wasserbedingungen am Ursprung?

Wenn wir über das beste Wasser sprechen, dann sollten wir auch über Wasserprojekte in Kaffeeregionen sprechen. Über Farmen, die auf Regenwasser angewiesen sind. Über agroökologische Ansätze, die Wasser speichern, statt verschwenden. Und über Kooperation statt Kontrolle.

Das beste Wasser ist nicht neutral

Wasser ist nie neutral. Nicht chemisch – und schon gar nicht politisch. Es spiegelt, wie gerecht oder ungerecht unser globales System funktioniert. Es zeigt, wer Zugang hat – und wer nicht. Und in der Kaffeebranche zeigt es auch, wer sich leisten kann, „perfekt“ zu sein.

Das beste Wasser für Kaffee sollte kein Statussymbol sein. Sondern ein Einstieg in ein Gespräch über Verantwortung, Herkunft und Zugang. Es darf nicht nur darum gehen, ob dein TDS-Meter 75 oder 85 anzeigt – sondern auch darum, ob dein Produzent Zugang zu sauberem Wasser hat.

Fazit: Zurück auf den Boden

Das beste Wasser ist kein Dogma. Es ist eine Frage der Perspektive. Klar – für gute Kaffeequalität braucht es eine gewisse Wasserbalance. Aber wir dürfen dabei nicht vergessen, was wirklich zählt: Kontext, Verantwortung und Fairness.

Vielleicht wäre das beste Wasser für die Szene eins, das uns endlich die Augen öffnet. Für die Realitäten jenseits unseres Kaffeetischs. Für die Geschichten hinter der Bohne. Und für die Tatsache, dass Wasser nicht nur Geschmack bringt, sondern Leben.

Das beste Wasser  ist vielleicht das, bei dem alle mittrinken können – nicht nur wir.

Das beste wasser